Der menschliche Geruchssinn zeichnet sich durch mehrere beachtenswerte Besonderheiten aus. Die primären Sinneszellen der im Nasendach im Bereich der oberen Nasenmuschel gelegenen (und nach neueren Erkenntnissen zufolge teilweise bis zum vorderen Ansatz der mittleren Muschel reichenden) Riechschleimhaut, werden etwa alle 60 Tage ausgehend von den Basalzellen erneuert. Die primären olfaktorischen Rezeptorneurone tragen an ihren in den Schleimfilm ragenden Zilien Rezeptoren, die nach der Duftstoffinteraktion ein durch Ioneneinstrom ausgelöstes Aktionspotential vermitteln, das direkt in die erste zentrale Verarbeitungsstation, den Bulbus olfactorius, geleitet wird.
Im Riechkolben findet eine topographische Aufteilung der Geruchsinformation statt, sowie eine Konvergenz der Information über ein kompliziertes Verschaltungsmuster statt. Die Haupttransmittersubstanz im olfaktorischen System ist Glutamat.
Anfang der 90er Jahre wurde mit einer etwa 1000 Genen umfassenden Multigenfamilie (einer der größten überhaupt) die molekulare Grundlage des Geruchssinns entschlüsselt. Jede Riechzelle exprimiert jeweils nur einen (einem bestimmten Gen entsprechenden) Rezeptor. Die Identität eines Geruchs wird durch die Kombination von Rezeptoren, die jeweils unterschiedliche Strukturen dieses Geruchs erkennen, kodiert. Die beschriebene Komplexität des Geruchssinns verdeutlicht die Verletzlichkeit der beteiligten Strukturen.
Die Nomenklatur der Riechstörungen umfasst die Hyperosmie, die Hyposmie, die Anosmie als quantitative Beschreibungen, sowie die Parosmie und die Phantosmie als qualitative Riechstörungen.
Die Einteilung bezüglich des Ortes der Schädigung erfolgt in konduktive und sensorineurale Riechstörungen. Im Gegensatz zu den sensorineuralen Riechstörungen, bei denen die peripheren oder zentralen Nervenstrukturen der Riechbahn unterbrochen oder gestört sind, liegt bei den konduktiven Riechstörungen eine Transportstörung der Duftstoffmoleküle zur intakten Riechschleimhaut vor.
Ursachen
Zu den drei häufigsten Ursachen von Riechstörungen gehören der Virusinfekt, das Schädel-Hirn-Trauma, sowie sinu-nasale Erkrankungen. Diese drei Erkrankungsgruppen sind für etwa drei Viertel der Erkrankungsfälle verantwortlich.
Weitere seltenere Ursachen umfassen neurodegenerative Erkrankungen (M. Alzheimer, M. Parkinson), interne und endokrinologische Erkrankungen (Leber-, Nierenerkrankungen, Hypothyreose, Diabetes mellitus), Medikamentennebenwirkungen, toxische Einflüsse, Tumore, oder kongenitale Riechstörungen. In mehr als 15 Prozent der Fälle bleibt die genaue Ursache unbekannt.
Diagnose
Eine genaue Anamnese zu Auftreten und Verlauf gibt im Hinblick auf die Unterscheidung konduktiver und sensorineuraler Riechstörungen wertvolle Hinweise. Besonders zu achten ist auf Fluktuationen des Riechvermögens bei konduktiven Ursachen, sowie auf die Wahrnehmung beim Essen. Eine unveränderte Wahrnehmung der Speisen deutet auf ein intaktes retronasales Riechvermögen hin (hier gelangen die Duftstoffmoleküle beim Kauen und Schlucken über den epipharyngealen Weg zur intakten Riechschleimhaut). Den Patienten sind zum Teil die unterschiedlichen Wege der Verarbeitung von Geschmacksinformationen (süß, sauer, salzig, bitter, umami) und Geruchsinformationen nicht bewusst.
Eine intakte Nasenatmung des Patienten schließt eine konduktive Ursache der Riechstörung nicht aus, da der Hauptluftstrom durch die unteren Abschnitte der Nasenhöhle geleitet wird. Nur ein geringer Prozentsatz gelangt durch Verwirbelungen zur Riechschleimhaut im Dach der Nasenhöhle.
Im Rahmen der Erhebung des HNO-Status muss auf die Bedeutung der nasalen Endoskopie hingewiesen werden. Ein nicht unerheblicher Prozentsatz sinu-nasal bedingter konduktiver Riechstörungen bleibt bei alleiniger vorderer Rhinoskopie unentdeckt. Die Endoskopie der Nasenhöhlen ist demnach bei Patienten mit Störungen des Geruchssinns bei unauffälligem Befund mittels Spekulum obligatorisch.
Ergibt auch die Endoskopie keinen Hinweis auf eine konduktive Ursache der Beschwerden, und liegen keine anderen als ursächlich anzusehende Ereignisse (z.B. Kopf-Traumen, Schnupfen oder grippale Infekte) vor, sollte eine koronare Computertomographie der Nasennebenhöhlen durchgeführt werden. Bei Verdacht auf cerebrale Raumforderungen oder kongenitale Anosmie (Aplasie des Bulbus olfactorius) ist die Magnetresonanztomographie angezeigt.
Die fundierte klinische Testung des Riechvermögens ist eine unabdingbare Voraussetzung für Beratung, Therapie und Verlaufskontrolle, da sich die subjektive Empfindung des Patienten für die Beurteilung der Riechstörung oft als unzureichend erweist. Der weltweit am meisten verwendete Geruchstest ist der 40-teilige UPSIT (University of Pennsylvania Smell Identification Test), ein reiner Identifikationstest bei dem mikroverkapselte Duftstoffe freigerubbelt werden. In Österreich, Deutschland und der Schweiz hat sich seit Ende der 1990er Jahre die „Sniffin`Sticks“ Testbatterie als validierter Standard etabliert. Durch umfangreiche Normdaten ist die Einteilung des Riechvermögens in Anosmie, Hyposmie und Normosmie, sowie eine quantitative Beurteilung der Riechleistung möglich. Der Test besteht aus der Geruchsschwelle, einem Diskriminationstest und dem 16-teiligen Identifikationstest. Der Identifikationstest kann als Screening-Test auch alleine angewandt werden.
Die alleinige Testung mittels einzelner Duftfläschchen ohne validiertes Verfahren ist zur Diagnose von Riechstörungen nicht geeignet. Auch der früher häufig verwendete Güttich-Test (vier Flüssigkeiten zur Testung des retropharyngealen Riechens) erwies sich in einer neueren Untersuchungen als nicht aussagekräftig. Es gilt zu bedenken, dass jeder Duftstoff in ausreichend hohen Konzentrationen eine trigeminale Komponente besitzt, also auch vom Anosmiker als kühlend, stechend, brennend, etc. wahrgenommen werden kann.
Falls eine Objektivierung des Riechvermögens notwendig erscheint (gutachterliche Fragestellungen, grenzwertige psychophysische Testergebnisse), besteht die Möglichkeit der Ableitung olfaktorisch evozierter Potentiale (OEP). Dieses Verfahren misst die nach selektiver Reizung des olfaktorischen Sinnesepithels auftretenden Hirnrindenpotentiale. Das hierfür erforderliche Gerät erzeugt reine Duftstoffreize ohne Druck- oder Temperaturänderungen und damit ohne simultane Erregung trigeminaler Nervenendungen.
Therapie
Die Therapie entzündlich bedingter konduktiver Riechstörungen besteht zumeist in der zeitlich begrenzten Gabe systemischer Steroide mit eventuell anschließender chirurgischer Sanierung.
Die Verabreichung topischer Steroide z.B. in Form von Nasensprays hat sich demgegenüber als weniger effektiv erwiesen.
Die Behandlung sensorineuraler Riechstörungen gestaltet sich bedeutend schwieriger, da bis dato keine sicher wirksamen Therapien existieren. In ersten, nicht doppelt-blinden Studien haben sich der Glutamat-Antagonist Caroverin, sowie a-Liponsäure als nützlich erwiesen. Ebenfalls kann die Gabe systemischer Steroide versucht werden. Die mögliche Anwendung von Hemmern des Apoptose-Enzyms Caspase wurde aufgrund der beobachteten erhöhten Caspase-Aktivität in entzündlich veränderter Schleimhaut angedacht.
Abschließend soll betont werden, dass der Beratung der Patienten eine besondere Bedeutung zukommt, da die Lebensqualität durch den Verlust eines Sinnes deutlich eingeschränkt ist. Hinzuweisen ist auf Gefahren wie Feuer, Rauch, austretendes Gas (Feuer-, Gasmelder installieren) sowie auf die Vermeidung verdorbener Lebensmittel (Ablaufdatum beachten).
Soziale Auswirkungen durch die verlorene Wahrnehmung des eigenen Körpergeruchs sind ebenfalls zu bedenken. Eine aktuelle Studie ergab, dass sich die Einschränkung der Lebensqualität mit der Dauer der Riechstörung nicht besserte. Auch zeigte sich, dass die Schwere der subjektiven Beeinträchtigung nicht mit dem Ergebnis der Riechtestung korrelierte.